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Lachgas: Partydroge in Großbritannien verboten

WDR aktuell 08.11.2023 Verfügbar bis 08.11.2025 WDR Von Philipp Brandstädter

Lachgas-Verbot in Großbritannien: Warum die Droge alles andere als lustig ist

Stand: 08.11.2023, 12:14 Uhr

Der Besitz von Lachgas ist in Großbritannien ab heute illegal. In Deutschland ist kein Verbot geplant, obwohl der Missbrauch auch bei uns weit verbreitet ist. Die Risiken und Nebenwirkungen.

Großbritannien zieht die Reißleine: Mit dem Verbot reagiert das Königreich auf den stark wachsenden Konsum von Lachgas als Partydroge, die auch bei Teenagern sehr populär ist. Wiederholungstätern drohen ab sofort bis zu zwei Jahre Haft. Auch andere Länder in Europa haben bereits auf den Trend reagiert. Die Niederlande schränkten Besitz und Verkauf bereits zum Jahreswechsel stark ein, auch Dänemark erließ strenge Vorgaben. In Deutschland ist bisher kein Verbot geplant.

Was ist das für ein Stoff und wie wird er eingenommen? Welche Gefahren sind mit dem Konsum verbunden? Und warum ist ein Verbot nur schwer umzusetzen? Fragen und Antworten.

Was ist Lachgas?

Das farblose Gas mit dem chemischen Namen Distickstoffmonoxid wird in vielen Bereichen verwendet. Es dient zum Beispiel als Treibgas in Spraydosen und Luftballons und in Kartuschen für Sprühsahne - und ist damit problemlos in fast jedem Supermarkt erhältlich. Auch in der Medizin wird Lachgas eingesetzt: zum Beispiel als Narkosemittel beim Zahnarzt oder in der Geburtshilfe. Wegen seiner euphorisierenden Wirkung ist Lachgas schon seit Langem auch als Droge bekannt. Sogenannte Lachgas-Partys wurden in England bereits im 19. Jahrhundert gefeiert.

Wie wirkt der Stoff und wie wird er eingenommen?

Lachgas als neue Spaßdroge

Kick mit Fruchtaroma

Konsumiert wird Lachgas vor allem aus gefüllten Luftballons, die auf Partys und Festivals häufig an Ständen verkauft werden. Nicht zu verwechseln ist Lachgas übrigens mit Helium in Luftballons, das nach Inhalation die Stimme erhöht. Auch in Headshops sind Lachgas-Kartuschen erhältlich, teilweise auch mit Frucht-Aroma. Beim Inhalieren kommt es zu einem kurzen aber intensiven Rausch. Viele Konsumenten berichten über ein angenehmes Kribbeln und verstärkte Sinneseindrücke, die Wirkung hält etwa 30 Sekunden bis maximal einige Minuten an. Oft bleibt es nicht bei einem Ballon, starke Konsumenten verbrauchen an einem Abend gleich mehrere davon. Gewöhnlich verlangen Händler etwa fünf Euro für eine Dosis.

Manche User inhalieren das Gas auch direkt aus Sahne-Kartuschen. Weil Lachgas unter hohem Druck zu schweren Erfrierungen führen kann, ist diese Form des Konsums besonders gefährlich.

Was sind die Risiken und Nebenwirkungen?

Haftbefehl live beim Autokultur-Konzert auf dem Schützenplatz in Hannover am 28.06.2020

Inzwischen clean: Haftbefehl

Was Lachgas in hohen Dosen anrichten kann, konnten Besucher eines Konzerts des Rappers "Haftbefehl" im vergangenen Jahr live miterleben. Der Musiker taumelte über die Bühne, verlor immer wieder das Gleichgewicht und wirkte maximal verwirrt. Das Konzert wurde abgebrochen. "Das Gas macht einen komplett zum Zombie", sagte der Rapper später im Sender RTL. Vor seinem Entzug habe er manchmal Dutzende Kartuschen am Tag konsumiert. Inzwischen setzt sich der Rapper für ein Verkaufsverbot ein.

Häufige Nebenwirkungen beim Konsum kleiner Mengen sind Schwindel, Benommenheit und Kopfschmerzen. Laut European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction (EMCDDA) kann es auch zu Übelkeit und Ohnmacht sowie zu einem vorübergehenden Verlust der Orientierung kommen. Bei der Inhalation kann es passieren, dass das Hirn vorübergehend nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird. Empfindliche Personen können darauf mit Krämpfen reagieren.

Während die Symptome in den meisten Fällen schnell wieder nachlassen, kann Dauerkonsum zu schweren neurologischen Störungen führen. Laut EMCDDA kann zu es chronischem Kribbeln oder Prickeln in Händen, Armen, Beinen oder Füßen kommen. Der Grund ist eine Schädigung der sensorischen Nerven, die für die Übertragung von Empfindungen verantwortlich sind. Wenn Nerven betroffen sind, die für die Kontrolle der Muskeln verantwortlich sind, können im Extremfall sogar dauerhafte Lähmungen die Folge sein.

Wie verbreitet ist der Konsum in NRW?

Junge Briten suchen den Lachgas-Kick

Rausch aus dem Ballon

Weil der Besitz und der Konsum von Lachgas nicht strafrechtlich verfolgt wird, gibt es kaum empirische Daten darüber, wie viele Menschen den Stoff konsumieren. Allerdings deuten Zahlen des Landeskriminalamts NRW (LKA) darauf hin, dass der Missbrauch zunimmt. Während im Jahr 2021 nur 68 Fälle polizeibekannt wurden, heißt es im "Lagebild Rauschgiftkriminalität 2022", die Zahl sei ein Jahr später bereits auf 215 Fälle gestiegen. Die Dunkelziffer dürfte erheblich höher liegen.

Warum wird Lachgas in Deutschland nicht verboten?

Das größte Problem bei einem Verbot wäre wohl, dass Lachgas so allgegenwärtig ist. Um den Zugang zur Droge wirksam einzuschränken, müsste also für die industrielle Nutzung als Treibgas eine gleichwertige Alternative gefunden werden. Doch auch wenn die Umstellung schwierig ist, sollte die Bundesregierung handeln, sagt zum Beispiel Suchtexperte Heino Stöver von der University of Applied Sciences in Frankfurt am Main: "Wir sollten alles daran setzen, Jugendliche davor zu schützen." Derzeit laute die Botschaft eher: "Alles ist möglich, beschafft euch das, werdet glücklich und habt viel Spaß!" Zumindest sollte Lachgas erst ab dem 18. Lebensjahr erhältlich sein, fordert Stöver, außerdem müsse der Verkauf von größeren Mengen eingeschränkt werden.

Quellen: