Ein Junge schaut durch eine Lupe.

Was macht Krimis eigentlich so mordsmäßig beliebt?

Stand: 01.08.2023, 00:00 Uhr

Wie krimiverrückt sind wir Deutschen eigentlich? Wir lesen, schauen und hören kriminelle Geschichten wie keine andere Nation. Gelten als "Krimi-Weltmeister". Dabei darf und soll jeder einzelne Krimifan seine speziellen Vorlieben pflegen.

Von Christoph Tiegel

Was macht Krimis eigentlich so mordsmäßig beliebt?

WDR 4 Mittendrin - In unserem Alter 05.08.2023 12:56 Min. Verfügbar bis 04.08.2024 WDR 4 Von Michael Westerhoff


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"Wenn diese Psychologie da mitspielt", macht Heidrun aus Bedburg die Krimilektüre so richtig Spaß: "Man ist so gespannt und möchte am liebsten hinten nachgucken, wer es war!" Peter aus Krefeld findet Fernsehkrimis gut, die nicht zu kompliziert angelegt sind: "Überschaubar von Anfang an, so nach dem Motto: Banküberfall. Täter suchen. Täter finden. Fertig!"

Für andere macht einen guten Krimi aus, dass er auch gesellschaftspolitisch aufgeladen ist, wenn es darin z.B. um Cyberkriminalität, Menschenhandel oder Rechtsextremismus geht. Und auch ein regionaler Bezug ist vielen Krimifreunden wichtig. Mittlerweile ist bald jeder zweite Krimi irgendwie regional. Das betrifft die Tatorte (z.B. aus Münster oder Köln), TV-Serien wie "Morden im Norden" oder auch die Eifel-Krimis eines Jaques Berndorf. 

Krimi-Weltmeister in Zahlen

WDR 4-Moderator und WDR 2-"Tatort-Checker" Jürgen Mayer, selbst großer Krimi-Fan, belegt mit Zahlen, dass wir uns den Titel "Krimi-Weltmeister" verdient haben. "3500 Krimis erscheinen neu pro Jahr in Buchform", die Liste der TV-Krimiserien im deutschen Fernsehen umfasse 132 Titel (von "Alarm für Cobra 11" bis "Zürich-Krimi"). Eine Analyse des typischen deutschen TV-Abendprogramms habe ergeben: "Zwischen 20 und 24 Uhr gibt es im Schnitt 15 Stunden Krimis auf allen Kanälen."

Dietmar Bär (l) als Kommissar Freddy Schenk und Klaus J. Behrendt (r) als Kommissar Max Ballauf vor der Kölner Südbrücke.Dietmar Bär (l) als Kommissar Freddy Schenk und Klaus J. Behrendt (r) als Kommissar Max Ballauf vor der Kölner Südbrücke.

Kölner TV-Kommissare Ballauf und Schenk

Frage an den Krimi-Fan und -Fachmann: Warum nur sind so viele Menschen so nachhaltig fasziniert speziell von diesem Genre? Jürgen Mayer: "Weil die Emotionen auslösen: Angst, Spannung, Neugierde". Ein nervenkitzelnder Kampf zwischen Gut und Böse, "und da dürfen wir zuschauen, ohne dass uns selbst etwas passieren kann. Man fiebert und zittert mit, hat Angst. Und zum Schluss bringen in der Regel Ballauf und Schenk den Mörder in die Zelle."

Wie kriminelle Unterhaltung wirkt

Was ist eigentlich dran an der Befürchtung, vermehrter Konsum krimineller Unterhaltung könnte zu mehr echter Kriminalität führen? Jürgen Mayer: "Die Medienpsychologen sagen: Nö, das ist nicht der Fall." Allerdings steige durch die Allgegenwart von Krimis wohl allgemein das Gefühl, es würden auch in der Realität immer mehr Kapitalverbrechen begangen. Dabei ist es genau andersherum. Jürgen Mayer: "Krimis sind immer präsenter geworden, im Bücherschrank, im Fernsehen, aber die Zahl der (realen) Morde in Deutschland ist immer weniger geworden – gut 200 gibt es pro Jahr, fast halb so viele wie noch vor 20 Jahren." 

Basil Rathbone als Sherlock Holmes und Nigel Bruce als Dr. Watson (1939)

Sherlock Holmes und Dr. Watson

Krimis bieten vor allem gefahrlosen Nervenkitzel. Manchmal gepaart mit Humor (z.B. Rosenheim-Cops). Reine Unterhaltung? Oder können wir beim Lesen, Schauen, Hören auch etwas lernen? "Beobachtungsgabe wird gefördert", sagt Krimi-Experte Jürgen Mayer. In einem Sherlock-Holmes-Krimi fragt der weltberühmte Ermittler seinen Assistenten Watson, wie viele Stufen eigentlich die Treppe vor seinem Haus habe (die er täglich mindestens einmal herauf und herunter gehe). Watson konnte die Frage nicht beantworten. Und viele Leser hätten sich anschließend selbst dabei ertappt, "wie sie beim Treppensteigen leise und heimlich die Stufen gezählt haben".

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